Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) plant eine grundlegende Änderung der Verteilung ihrer Einnahmen. Die geplante Reform betrifft Tausende Urheber, insbesondere Komponisten ernster Musik und weniger bekannte Künstler. Bei einem Rekordertrag von 1,3 Milliarden Euro im Jahr 2024 geht es um erhebliche Summen und fundamentale Fragen der Verteilungsgerechtigkeit. Die Entscheidung über das neue Modell soll im Mai fallen.
Inhaltsverzeichnis:
- Rekordjahr 2024 bringt 1,3 Milliarden Euro ein
- Verteilt werden die Einnahmen an rund 98.000 Mitglieder
- Förderung von E-Musik durch Sonderfonds
- Reformpläne setzen auf kommerzielle Maßstäbe
- Tobias Holzmüller spricht von „Chancengleichheit“
- Konsequenzen für die Musikkultur in Deutschland
Rekordjahr 2024 bringt 1,3 Milliarden Euro ein
Die GEMA verzeichnete im Geschäftsjahr 2024 Einnahmen von 1,3 Milliarden Euro. Zu den wesentlichen Einnahmequellen gehörten Großveranstaltungen wie die Männer-Fußball-Europameisterschaft. Diese Gelder stammen unter anderem aus Konzerten, Messen, Gastronomie, Sportveranstaltungen und Internetplattformen.
Verteilt werden die Einnahmen an rund 98.000 Mitglieder
Verteilt werden die Einnahmen an rund 98.000 Mitglieder sowie etwa zwei Millionen Rechteinhaber. Darunter befinden sich Komponisten, Textdichter und Erben von Urheberrechten. Die zentrale Frage ist, nach welchen Kriterien diese Beträge zukünftig berechnet und ausgeschüttet werden sollen. Bislang erhielten nicht alle Beteiligten gleich viel – maßgeblich waren unter anderem das Genre, die Aufführungshäufigkeit und Fördermodelle.
Förderung von E-Musik durch Sonderfonds
Komponistinnen und Komponisten der sogenannten ernsten Musik (E-Musik) profitieren aktuell von einem Fördertopf, der 10 Prozent der gesamten GEMA-Einnahmen umfasst. Dieser Fonds dient kulturellen und sozialen Zwecken. Von den 10 Prozent fließen bislang 30 Prozent gezielt an die E-Musik.
Der Grund: E-Musik ist aufwendig in der Produktion, wird jedoch seltener aufgeführt und erzielt geringere Marktumsätze – nur etwa 1 Prozent des Gesamtumsatzes. Diese Regelung ermöglichte auch weniger bekannten Komponisten ein stabiles Einkommen. Das Prinzip beruhte auf Solidarität – ein gezielter Ausgleich für weniger kommerzielle Kunstformen. Auch kleinere Veranstaltungen und Konzerte konnten auf diese Weise angemessen vergütet werden.
Reformpläne setzen auf kommerzielle Maßstäbe
Die GEMA plant nun eine Abschaffung der bisherigen Genretrennung in E- und U-Musik. Zukünftig soll ein einheitliches Bewertungssystem gelten. Die Berechnungen sollen sich künftig stärker an wirtschaftlichen Kriterien orientieren. Relevante Faktoren sollen unter anderem Höhe der Eintrittspreise, Zuschauerzahlen und Popularität der Aufführungsorte sein.
Nach dem geplanten Modell gilt: Je größer der kommerzielle Erfolg, desto höher die Ausschüttung. Die neue Regelung würde dazu führen, dass vor allem große, erfolgreiche Veranstaltungen und bekannte Künstler profitieren. Die Berücksichtigung künstlerischer Komplexität oder aufwendiger Komposition entfällt. Damit droht ein deutlicher Rückgang der Fördermittel für weniger bekannte Urheber.
Tobias Holzmüller spricht von „Chancengleichheit“
Laut GEMA-Vorstandsvorsitzendem Tobias Holzmüller soll die Reform eine fairere und genreunabhängige Verteilung sicherstellen. Die bisherige, historisch gewachsene Bevorzugung der ernsten Musik sei nicht mehr zeitgemäß. Stattdessen gehe es um eine Kulturförderung, die auf Vielfalt und Gleichbehandlung abzielt.
Doch gerade diese Gleichbehandlung stößt auf Kritik. Denn in der Praxis bedeutet sie eine Schlechterstellung jener, die abseits großer Bühnen und abseits des Mainstreams arbeiten. Besonders betroffen wären Komponisten kleiner Ensembles, Kirchenmusiker und Künstler, die neue, experimentelle Werke schaffen. Die bisherige Förderung dieser Gruppen würde stark reduziert oder ganz entfallen.
Konsequenzen für die Musikkultur in Deutschland
Sollte das neue Modell umgesetzt werden, verlieren zahlreiche Komponisten der E-Musik ihre bisherige finanzielle Grundlage. Kleinere Konzertformate, Festivals mit niedrigem Eintrittspreis und nicht-kommerzielle Musikveranstaltungen hätten kaum noch Chancen auf eine faire Entlohnung.
Das betrifft:
- Komponisten klassischer Sinfonien und Kammermusik.
- Musiker in regionalen Kulturinstitutionen.
- Junge Künstler ohne große Reichweite.
- Projekte mit experimentellem oder kulturell anspruchsvollem Fokus.
Die geplante Reform stellt somit nicht nur eine technische Änderung dar, sondern hat weitreichende Auswirkungen auf die Vielfalt der Musiklandschaft. Ob die GEMA mit dem neuen Verteilungsmodell tatsächlich mehr Gerechtigkeit schafft oder den Zugang zu Fördermitteln einseitig kommerzialisiert – das bleibt umstritten. Entscheidend wird sein, wie das Modell umgesetzt und in der Praxis bewertet wird.
Quelle: NDR