Seit mehr als einem Jahrzehnt prägt der Live-Entertainment-Konzern Eventim das kulturelle Leben der Berliner Waldbühne. Der aktuelle Pachtvertrag zwischen dem Land Berlin und Eventim läuft jedoch Ende 2026 aus – eine Verlängerung ist bislang nicht beschlossen. Die Diskussion um den zukünftigen Betreiber hat in Politik und Musikbranche neue Dynamik ausgelöst.
Inhaltsverzeichnis:
- Eventim und der Vertrag von 2009
- Klaus-Martin Groth fordert Ausschreibung
- Kritik an Eventim und den Ticketpreisen
- Mustervertrag und finanzielle Aspekte
- Politische Debatte über neue Betreiberlösung
- Ausblick auf 2026
Eventim und der Vertrag von 2009
Die Waldbühne im Westen Berlins, im Stil eines antiken Amphitheaters erbaut, gehört dem Land. Seit 2009 wird sie von Eventim betrieben, einem der größten Live-Entertainment-Unternehmen Europas. Der Konzern organisiert dort selbst Konzerte und vermietet die Bühne an andere Veranstalter. Zu den bekanntesten Künstlern, die dort auftraten, gehören Robbie Williams, Seeed, Roland Kaiser, die Rolling Stones sowie die Berliner Philharmoniker.
Der Vertrag mit Eventim wurde mehrfach ohne öffentliche Ausschreibung verlängert. Grundlage war ein Urteil des Berliner Kammergerichts aus dem Jahr 2015, das dem damaligen Vorgehen rechtliche Deckung gab. Damals hatte der Konzertveranstalter Deag gegen die Vergabe geklagt, jedoch ohne Erfolg. Trotzdem wird die Praxis nun erneut hinterfragt.
Klaus-Martin Groth fordert Ausschreibung
Der Verwaltungsrechtsexperte Klaus-Martin Groth hält das bisherige Verfahren für rechtswidrig. Er betont, dass das Haushaltsrecht Berlin dazu verpflichtet, die wirtschaftlich beste Lösung zu finden. Nach seiner Einschätzung müsse der Vertrag ausgeschrieben werden, da es sich um erhebliche Summen handle.
Laut Haushaltsrecht dürfe das Land nur dann auf eine Ausschreibung verzichten, wenn dies wirtschaftlich begründet sei. Groth weist darauf hin, dass Wettbewerb nötig sei, um faire Bedingungen und höhere Einnahmen zu sichern. Die Senatsverwaltung für Inneres und Sport prüft derzeit die Optionen für die Zeit nach 2026. In einer Mitteilung heißt es, die Prüfung orientiere sich an „wirtschaftlichen und stadtpolitischen Erwägungen“. Diese dauert jedoch bereits länger als ein Jahr.
Kritik an Eventim und den Ticketpreisen
Eventim steht seit Jahren in der Kritik. Branchenkenner und Politiker bemängeln hohe Ticketpreise und eine zunehmende Marktkonzentration. Der Publizist Berthold Seliger bezeichnet Eventim als Teil eines vertikalen und horizontalen Monopols. Nach seinen Analysen kontrolliere der Konzern nicht nur den Ticketverkauf, sondern auch zahlreiche Veranstaltungsorte und Produktionsbereiche.
Die Firma weist die Vorwürfe zurück. Ein Sprecher betont, dass es in Deutschland viele aktive Ticketanbieter gebe und regelmäßige Prüfungen ohne Beanstandung erfolgten. Dennoch sehen Kritiker eine Gefährdung der kulturellen Vielfalt. Große Konzerne würden vor allem auf Superstars setzen, während junge Künstler kaum Unterstützung erhielten.
Mustervertrag und finanzielle Aspekte
Ein Mustervertrag, der rbb24 Recherche vorliegt, zeigt die Bedingungen für Veranstalter:
- Mindestens 50 Prozent der Tickets müssen über die Eventim-Plattform verkauft werden.
- Pro verkauftem Ticket fällt eine „Facility Fee“ von 2 Euro an.
- Der Konzern erhält zusätzlich eine Umsatzbeteiligung.
Darüber hinaus untersagt der Vertrag sogenannte Pre-Sales durch Künstler, bevor der offizielle Verkauf über Eventim startet. Nach Unternehmensangaben seien diese Regelungen marktüblich.
Im Haushaltsplan Berlins sind für 2024 und 2025 jährlich 775.000 Euro Pacht veranschlagt. Tatsächlich flossen 2024 jedoch rund 1,23 Millionen Euro in die Landeskasse. Eventim verweist auf eine „erfolgsabhängige Komponente“ im Vertrag, wodurch die Einnahmen über der Festpacht lagen.
Politische Debatte über neue Betreiberlösung
Mehrere Politiker fordern, dass die Waldbühne künftig vom Land selbst betrieben wird. SPD-Politiker Dennis Buchner spricht sich dafür aus, die Waldbühne in die Zuständigkeit der landeseigenen Olympiastadion GmbH zu überführen. Diese Gesellschaft betreibt bereits das benachbarte Olympiastadion.
Auch Julian Schwarze und Daniel Wesener von den Grünen unterstützen diese Idee. Sie plädieren für sozialere Ticketpreise und spezielle Angebote für Studierende. Nach Einschätzung von Groth wäre ein Eigenbetrieb rechtlich unproblematisch. Zwar sehe das Haushaltsrecht vor, dass Aufgaben an private Unternehmen vergeben werden, wenn diese sie wirtschaftlicher erfüllen könnten, jedoch bleibe die Entscheidung letztlich politisch.
Ausblick auf 2026
Noch ist unklar, wie es nach Ablauf des aktuellen Vertrags weitergeht. Die Senatsverwaltung prüft Alternativen, und viele Akteure aus Politik und Musikbranche fordern Transparenz und Wettbewerb. Die Zukunft der Berliner Waldbühne könnte zu einem Symbol für den Umgang des Landes mit öffentlichen Kulturräumen werden – zwischen wirtschaftlichem Nutzen und kultureller Verantwortung.
Quelle: rbb24, YouTube