Mike Al Becker (1961–2021) war ein deutscher Rockmusiker, der unter dem Künstlernamen „Rollimann“ bekannt wurde. Bereits im Alter von 13 Jahren spielte er Gitarre, doch nach einem Autounfall im Jahr 1987 erlitt er einen Bruch der Halswirbelsäule auf Höhe des fünften Wirbels (C5) und war von da an vom Hals abwärts gelähmt. Trotzdem lernte er das Mundharmonikaspiel und setzte seine Musikkarriere fort. Die Tatsache, dass er im Rollstuhl saß, wurde zu seinem Markenzeichen. Becker verstarb am 28. August 2021 im Alter von 60 Jahren.
Der Unfall von 1987 und Mike Al Beckers Querschnittslähmung
Ein scheinbar harmloser Auffahrunfall im Jahr 1987 veränderte Mike Al Beckers Leben vollständig. Durch die Kollision erlitt er einen Bruch der Halswirbelsäule auf Höhe des C5-Wirbels, was ihn zum Tetraplegiker machte. Ab diesem Moment verlor er die Fähigkeit, Gitarre zu spielen. Doch seine Stimme blieb kraftvoll, und bald lernte Becker auch das Spiel auf der Mundharmonika. Infolgedessen behielt seine Musik den Gitarrencharakter und die Energie des Rocks, ergänzt durch Mundharmonika-Einsätze und einen ausdrucksstarken Gesang.
Alben und Musikstil – von „Rollimann“ zum Rock’n’Roller
Mike Al Becker veröffentlichte mehrere Alben, in denen er seine persönlichen und künstlerischen Erfahrungen verarbeitete. Zu seinen wichtigsten Veröffentlichungen zählen:
- 1996 – „Rollimann“ (erstes Soloalbum mit 9 Songs, alle Texte von Becker verfasst)
- 1997 – „Junge, halt die Füße still“ (erstes Album der Band Mike Al Becker & Die Simulanten, mit musikalischer Unterstützung des Gitarristen Uli Ruhwedel und des Schlagzeugers Michael Gaßmann)
- 2008 – „Irgendwas ist immer“ (neues Rockalbum von Becker)
- 2017 – „Normal ist das nicht“ (Album mit 10 Songs, veröffentlicht bei Woodhouse Records)
Beckers Musik war vor allem rauer, gitarrenlastiger Rock mit markantem, kraftvollem Gesang. Klarer, melodischer Rock mit einfachem Gitarrensound und arrangierter Mundharmonika bildeten das Fundament seines Stils. In seinen Texten zeigte er Humor und Sarkasmus und griff oft Themen auf, die mit seinem Leben im Rollstuhl zu tun hatten. Das Lied „Für immer“, das als Vereinshymne für den FC Schalke 04 geschrieben wurde, entwickelte sich mit den Jahren zu einem der bekanntesten Stücke seines Schaffens.
Die Band „Die Simulanten“ – Mitglieder und Zusammenarbeit
1997 gründete Becker eine neue Formation mit dem Namen Mike Al Becker & Die Simulanten. Der Bandname („Simulanten“) war provokativ gemeint und bezog sich auf Beckers Aussage, dass „alle, die nicht im Rollstuhl sitzen, Simulanten sind“. Die Formation wurde von ehemaligen Musikern der Band Extrabreit unterstützt: Gitarrist Uli Ruhwedel und Schlagzeuger Michael Gaßmann. In den folgenden Jahren kamen weitere Musiker hinzu, darunter Andy Krombholz (Bass), Marco Maggiorelli (Gitarre) und erneut Michael Gaßmann am Schlagzeug. Die Simulanten traten als Rockband auf und spielten ein mitreißendes Repertoire mit deutlichen Tempowechseln, Gitarrensoli und balladesken Momenten. Während der Konzerte scheuten sich die Bandmitglieder nicht, ihren Kollegen Mike physisch auf eine spezielle Plattform zu heben, um ihn auf Augenhöhe mit den anderen Musikern zu bringen.
Das Projekt „Rollimann“ und Engagement für Menschen mit Behinderung
Das Konzept „Rollimann“ war für Mike Al Becker nicht nur ein Albumtitel, sondern auch eine Art Manifest eines Künstler-Aktivisten. Becker machte seinen Rollstuhl zum Erkennungszeichen und betonte immer wieder, dass das Leben mit Behinderung ein zentrales Thema seiner Musik sei. Seine Songs handelten von den Barrieren, mit denen Rollstuhlfahrer konfrontiert sind – jedoch humorvoll und ohne moralischen Zeigefinger. So wurde „Rollimann“ zum Symbol der Inklusion. Durch seine eigene Haltung zeigte Becker, dass eine Behinderung kein Grund sein muss, die Leidenschaft aufzugeben. Becker engagierte sich auch bei integrativen Veranstaltungen und trat bei Konzerten für Unfallopfer auf. Im Jahr 2010 nahm er am Festival „Tag der Begegnung“ in Essen teil, das vom Landschaftsverband Rheinland für Menschen mit Behinderungen organisiert wurde. Seine Band spielte auch bei der Eröffnung eines barrierefreien Hotels in Rheinsberg – unter anderem in Anwesenheit des Politikers Manfred Stolpe. Zudem wurde seine Person in zahlreichen Fachzeitschriften für Menschen mit Behinderung vorgestellt. Das Projekt „Rollimann“ wurde so zu einem Instrument der Aufklärung und der Auseinandersetzung mit Vorurteilen innerhalb der Behinderten-Community.
Die Hymne des FC Schalke 04 „Für immer“ und der Auftritt im Parkstadion
Im Jahr 2000 bekam Mike Al Becker zusammen mit seiner Band eine besondere Gelegenheit: Sie durften die offizielle Vereinshymne für den Fußballclub FC Schalke 04 komponieren. Das Lied mit dem Titel „Für immer“ wurde offiziell an Vereinspräsident Rudi Assauer und die Mannschaft übergeben. Es wurde bei Heimspielen im legendären Parkstadion in Gelsenkirchen gespielt. Das Stadion bot Platz für rund 70.000 Zuschauer und war das damalige Hauptspielfeld von Schalke. „Für immer“ wurde bei jedem zweiten Heimspiel vor dem Anpfiff abgespielt – dadurch erreichte Beckers Musik ein riesiges Stadionpublikum und mediale Aufmerksamkeit. Der Auftritt vor einer solch großen Kulisse war ein außergewöhnlicher Höhepunkt in der Karriere von Mike Al Becker und festigte seine Rolle in der lokalen Musikszene.
Dokumentarfilm „Portrait eines Rock’n’Rollers”
Über das Leben von Mike Al Becker entstand auch ein Dokumentarfilm. Im Jahr 2012 erschien unter der Regie von Thomas Berger der Film mit dem Titel „Mike Al Becker – Portrait eines Rock’n’Rollers“. Die Dokumentation bringt den Musiker dem Publikum näher – sie zeigt seinen Alltag aus der Perspektive eines Rollstuhlfahrers, die Hintergründe seiner Auftritte sowie seine künstlerischen Beweggründe. Der Film veranschaulicht, wie sich in Beckers Werk Themen des normalen Lebens mit seiner außergewöhnlichen Situation verbinden. Die Produktion wurde zu einer Hommage an den Künstler und trug maßgeblich dazu bei, sein Schaffen in der Rockszene und unter Menschen mit Behinderung bekannt zu machen.
Songtexte von Mike Al Becker – Humor und Kampf gegen Barrieren
Mike Al Becker scheute sich in seinen Liedtexten nicht, Themen rund um seine eigene Behinderung anzusprechen. Im Gegenteil – er schöpfte häufig Inspiration daraus. In seinen Songs thematisierte er offen das mangelnde Verständnis sowie die alltäglichen Herausforderungen, mit denen Rollstuhlfahrer konfrontiert sind. Trotz der Schwere der Themen blieb seine Botschaft meist positiv – der Künstler ermutigte dazu, sich nicht von Schicksalsschlägen unterkriegen zu lassen. Die wichtigsten Mittel seiner Botschaft waren vor allem Humor und eine gesunde Lebenseinstellung. Er war bekannt dafür, mit Ironie auf diejenigen zu reagieren, die Menschen mit Behinderung missachteten, und füllte seine Texte mit scharfem Sarkasmus („Du Eierdieb, du schwarze Seele“, „Hörst du die Leute sagen: ‚Normal ist das nicht’“ – Beispiele aus seinen Liedern). Gleichzeitig enthielten seine Songs Elemente des Protests und riefen die Hörer dazu auf, sich nicht zurückzuziehen, sondern trotz aller Hindernisse ihre Träume zu verwirklichen. Auf diese Weise verwandelte Mike Al Becker seine persönlichen Erfahrungen in eine motivierende Botschaft, um andere zu eigener Aktivität und zum Überwinden von Grenzen zu inspirieren.
Wo kann man die Musik von Mike Al Becker hören?
Die Musik von Mike Al Becker ist nach wie vor für Hörer zugänglich. Seine Alben sind auf den größten Streaming-Plattformen verfügbar. Zum Beispiel enthält sein Profil auf Apple Music Aufnahmen aller seiner Alben, darunter Titel wie „Der Kämpfer“ oder „Normal ist das nicht“. Bandauftritte und Livekonzerte des Künstlers sind außerdem auf YouTube (Kanal @rollimann) zu finden und sicherlich auch auf Plattformen wie Spotify oder Deezer. So bleibt das musikalische Erbe des Künstlers auch nach seinem Tod lebendig und für Rockfans in Deutschland und darüber hinaus verfügbar. Mike Al Becker verstarb im Jahr 2021 und hinterließ ein musikalisches Vermächtnis, das in der Inklusionsszene und der Rock-Underground-Kultur in Erinnerung bleibt. Seine Geschichte zeigt, dass Leidenschaft für Musik und der Mut zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Schicksal andere Menschen inspirieren können. Bis heute werden Beckers Alben von treuen Fans gehört, und seine Botschaft hallt weiter – überall dort, wo es Mut braucht, um neue Herausforderungen zu bestehen.
Diskografie von Mike Al Becker
Studioalben:
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1996 – Rollimann
Erstes Soloalbum mit 9 Titeln. Texte und Inhalte stammen ausschließlich von Mike Al Becker. Das Album verarbeitete autobiografische Themen und wurde unabhängig produziert. -
1997 – Junge, halt die Füße still
Erstes Album mit der Band Mike Al Becker & Die Simulanten. Unterstützung durch Uli Ruhwedel (Gitarre) und Michael Gaßmann (Schlagzeug). Stilistisch kraftvoller, deutschsprachiger Rock. -
2003 – Da steh ich drauf
Studioalbum mit provokativen, humorvollen und gesellschaftskritischen Texten. Thematisiert u.a. Alltagsbarrieren für Menschen mit Behinderung. -
2008 – Irgendwas ist immer
Rockalbum mit eingängigen Melodien, persönlichem Ton und weiterentwickeltem Sound. Texte reflektieren Alltag, Wut, Ironie und Mut. -
2017 – Normal ist das nicht
Letztes offizielles Studioalbum mit 10 Songs. Erschien beim Label Woodhouse Records. Mischung aus Rock, Balladen und gesellschaftlichem Protest.
Weitere Veröffentlichungen und bekannte Songs:
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2000 – Für immer
Offizielle Vereinshymne des Fußballclubs FC Schalke 04. Gespielt im Parkstadion vor Heimspielen. -
Live-Versionen & YouTube-Veröffentlichungen:
Mehrere Live-Mitschnitte (z. B. „Träume“, „Krank im Hirn“, „Augenblicke“) auf seinem offiziellen YouTube-Kanal: @rollimann
Becker verstarb am 28. August 2021 im Alter von 60 Jahren